Tag 2–Sprechstunde startet

28 03 2016

Ganz mutig aus meinem Schlafsack an einer dicken Spinne vorbei ins Bad gequält um zu merken, dass es gerade keinen Strom gibt. Also ohne Föhnwelle los. Zum Frühstück haben wir uns lecker Porridge mit Obst gemacht. Danach ging die Arbeit los. Nach der Visite der plastischen Patienten haben wir uns Nahtvorräte mit der OP-Oberschwester gecheckt. Die Lagerräume sind wirklich atemberaubend, ein geordnetes Chaos. ALLES vorhandene ist ausschließlich durch in Deutschland generierte Spenden an Interplast finanziert.

Zusammen sind wir danach in den OP gegangen um dort die Instrumentenvorräte anzusehen zur optimalen OP-Planung. Alles Stoffkleidung inklusive Mundschutz und Hauben. Ansonsten im OP läuft es wie bei uns, alles einfach etwas älter, noch Holzschränke, keine Einmalprodukte etc. Wir konnten bei einer OP zusehen. Ein 5jähriges Mädchen, das im Zimmer unter uns wohnt mit ihrer Mutter, hat vor 3 Wochen schwerste Verbrennungen an beiden Beinen erlitten. Leider passiert dies häufig, da die Eltern auf dem Feld arbeiten und die Kinder allein zu Hause sind. Durch offenes Feuer an der Kochstelle werden sehr viele Kinder, aber auch Erwachsene schwer verletzt. In Narkose wurden die Verbände gewechselt, Wundreinigung und Versorgung. Nachdem die Verbände ab waren und wir das Ausmaß der Verbrennungen gesehen hatten, musste ich rausgehen…. Und das ist hier an der Tagesordnung. Aber sie haben sehr tolle Erfolgsgeschichten und viel Erfolg mit diesen Langzeitpatienten, trotz dieser einfachen Mittel, ohne Hightech-Verbrennungsintensiv. Aber zu viele Kinder sterben auch noch an ihren Verletzungen.

Danach haben wir Sprechstunde gemacht und einige Patientinnen für OPs rekrutiert. Wir wundern uns manchmal wie viel unsere dolmetschende Schwester mit den Patientinnen redet. Wir sagen ihr, dass sie einen Satz übersetzen soll und sie redet 5 min lang auf die Patientin ein. Aber die Patientinnen sind nicht selten sehr ungebildet, haben nie eine Schule bzw. jemals einen Arzt zuvor besucht und brauchen sehr viel Erklärungen.  Manche kommen auch nur, weil sie gehört haben, dass wir weibliche Ärzte sind. Zu einem Mann wäre es für sie unvorstellbar zu einer Konsulation zu kommen. Während in Deutschland das Durchschnittsalter der Patientinnen mit z.B. Gebärmuttersenkung/-vorfall bei >60 Jahren liegt, geht es hier mit 35 Jahren los. Da hat die nepalesische Frau schon 3-6 Kinder, die ältesten Kinder sind dann auch schon mal 20 Jahre alt!

Die Mittagspause haben wieder in herrlicher Sonne in der open-air-Kantine zusammen mit unserer Koordinatorin Momo und ihrem Bruder Dr. Roshan (Physiotherapeut) verbracht. Es wird überall viel gelacht und herzlich erzählt, alle haben gegenseitiges Interesse.

Da noch nicht viele Patientinnen zur Sprechstunde gekommen waren, haben wir die Zeit genutzt zur Erkundung der Umgebung. Am Nachmittag sind wir hinter der Klinik der “Straße” gefolgt und den Hang hoch bis ins übernächste Dorf. Unser Ziel war der Bajra-Yogiri-Tempel. Wir sind hinter einem Ehepaar mit zwei Söhnen marschiert. Die Jungs waren 9 und 11 Jahre alt und konnten ein bisschen englisch und begannen sofort uns auszufragen, woher wir kommen, was unsere Lieblingsfarbe, –tier, –spiel etc ist. So haben wir an deren Familienwanderung teilgenommen und haben so die guten Abkürzungen mitgehen können. In jedem Dorf war gerade Hochzeitfest! Kleider, Hausschmuck, alles ganz farbenfroh und bunt geschmückt, laute Musik. Unterwegs haben wir wieder viele vom Erdbeben zerstörte oder angeknackste Häuser gesehen. Auch die Tempelanlage war größtenteils zerstört. Der Haupttempel wird mit großem Aufwand gestützt um ihn vor dem Zusammensturz zu retten. Angeblich wurden alle betroffenen Häuser, die nicht eingestürzt sind, von Ingenieuren untersucht auf ihre Statik und Sicherheit. Allerdings sehen manche der bewohnten Häuser sehr fragwürdig aus mit dicken Rissen in den Wänden. Da wir den Rückweg ohne unseren neuen nepalesischen Familienanschluß antreten mussten, stellten wir irgendwann fest, dass wir gar nicht mehr auf dem uns bekannten Weg waren. Aber ein Dorfbewohner zeigte mit Händen und Füßen, dass wir einfach weitergehen sollten auf dem platt getrampelten Pfad durch die Einöde um zum Krankenhaus zu gelangen. Das letzte Drittel sind wir dann über die einsamen Felder bzw. die Bewässerungsgräben marschiert…. Aber pünktlich zum Einbruch der Dunkelheit waren wir zurück auf dem Krankenhausgelände.

Insgesamt fühlen wir sehr wohl und willkommen. Alle sind herzlich miteinander, alles geht sehr entspannt seinen Gang, hier hat auf den ersten Blick niemand großen “Arbeitsstress”. Aber wir wissen auch, wie schwer der Alltag zu Hause für lokalen Kollegen sein muss, da es nicht genug bzw. nur unglaublich teure Lebensmittel, Gas, die normalen Alltagsgegenstände gibt.

 

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